Wasser in Zeiten des Klimawandels – Ein nachhaltiges und integriertes Wassermanagement für Niedersachsen weiterentwickeln

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90 Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

„Wasser ist ein Menschenrecht“ so steht es in der Nationalen Wasserstrategie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Diese Aussage verdeutlicht, welchen Stellenwert die Ressource Wasser für die Menschen dieser Erde innehat. Der Klimawandel und die damit einhergehenden Konsequenzen der Erderwärmung fordern uns gesamtgesellschaftlich heraus und verlangen neben Klimaschutzmaßnahmen zunehmend auch konkrete Maßnahmen der Klimafolgenanpassung. Im Bereich der Wasserwirtschaft sind die Folgen der Klimaerwärmung auch in Niedersachsen in den letzten Jahren immer deutlicher geworden und setzen die Ressource Wasser unter einen zunehmenden Nutzungsdruck.

Dieser Nutzungsdruck entsteht einerseits durch stetig steigende Wasserbedarfe u. a. durch Wasserversorger, die Industrie, öffentliche Trinkwasserversorgung oder die Landwirtschaft und andererseits durch die abnehmende Grundwasserneubildungsrate in großen Teilen des Landes. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN) spricht in diesem Zusammenhang von neuen Niedrigwerten der Grundwasserkörper in Niedersachsen. Neuste Berechnungen des Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) im Mai 2023 bestätigen, dass die Grundwasserneubildung im Mittel in Niedersachsen in den Jahren 2011-2020 deutlich unter dem Mittel der Jahre 1961-1990 lag.

Gleichzeitig wirken sich diese Klima- und Nutzungsveränderungen auf die Bodenfeuchte, den Wasserhaushalt verschiedener Ökosysteme, die Verbraucherpreise und auf die Sicherung unserer Lebensmittelerzeugung aus, für die eine Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen zum Teil nur durch zusätzliche Beregnungsmaßnahmen möglich ist. Bezogen auf die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche des Landes lag der Anteil der beregneten Flächen in 2019 bei 10,8 Prozent. Durch das sich verändernde Klima nimmt auch die Nutzungskonkurrenz um die Ressource Wasser zu. Auf der einen Seite entsteht während Dürreperioden eine Knappheit, auf der anderen Seite ist ein ansteigendes Interesse an der Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen zu erwarten.

Der Landtag begrüßt die derzeit laufenden Bemühungen der Landesregierung zur Erarbeitung eines Masterplan Wasser, der die Thematik auf der notwendigen ganzheitlichen Betrachtungsebene und unter Einbeziehung relevanter Akteure bearbeitet.

Der Landtag bittet die Landesregierung,

  1. dass grundsätzlich der der Allgemeinheit dienenden Wasserversorgung (öffentliche Wasserversorgung) Vorrang vor anderen Nutzungsmöglichkeiten bei der nachhaltigen Bewirtschaftung von Gewässern eingeräumt wird,
  2. die Ziele der europäischen Wasserrahmenrichtlinie in Niedersachsen konsequent zu verfolgen und die Voraussetzungen zur Maßnahmenumsetzung weiter zu verbessern und zu stärken, sowie
    1. die weitere Verbreitung von multiresistenten Keimen,Spurenstoffen (Arzneimittel, Röntgenkontrastmittel, Biozide und Pflanzenschutzmittel, Industrie- und Haushaltschemikalien, Körperpflege- und Waschmittel) und Mikroplastik in unseren Bächen, Flüssen und Seen zu bekämpfen. Belastungen sind an der Quelle zu minimieren,
    2. Trinkwasserkooperationen weiter zu stärken,
    3. den Ausbau des Messstellennetzes für die Nitrat- und Phosphatgehalte im Grund- und Oberflächengewässer weiterhin verstärkt voranzutreiben,
  3. die Gründung von Beregnungsverbänden und entsprechenden Netzwerken fachlich zu unterstützen und zu stärken,
  4. Forschung zu sparsamen Beregnungstechnologien und –methoden weiter zu unterstützen und vorhandene Möglichkeiten zur Anwendung zu bringen,
  5. zu prüfen, wie Kommunen besser unterstützt werden können, vor Ort nachhaltige und integrierte Wassermengenmanagementkonzepte zu entwickeln und mit- und aufeinander abzustimmen,
    1. den Kommunen sowie der Land- und der Wasserwirtschaft in Kooperation mit den Verbänden landesweite Datengrundlagen bereitzustellen, damit diese für die Entwicklung von regionalen Konzepten zum Wassermanagement, Starkregenvorsorgen, Hochwasser- und Küstenschutz in die Erarbeitung mit einfließen können,
    2. in Siedlungsräumen, Waldflächen und Gewässern die Fähigkeit zur Aufnahme und zum Rückhalt von Niederschlagswasser, zur Verlangsamung des Wasserabflusses sowie zur Verbesserung der Grundwasserneubildung, zu ermöglichen,
    3. Maßnahmen für eine größere Sensibilisierung wassernutzender Akteure hin zu einem sparsameren Umgang mit der Ressource Wasser umzusetzen,
  6. zu prüfen, wie die Landwirtschaft bei der Klimafolgenanpassung besser unterstützt werden kann und die Fach- und Förderberatung, sowie Datenbereitstellung weiter auszubaut werden kann,
  7. die gegenwärtigen Bewertungsgrundlagen in der wasserwirtschaftlichen Genehmigungspraxis zu überprüfen und den Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserdargebot und Wasserbedarf anzupassen,
  8. Maßnahmen zu prüfen, die den Grundwasserspiegel, im Sinne eines nachhaltigen Wassermanagements in der Landwirtschaft und Forstwirtschaft stabilisieren und erhöhen können,
    die Entnahme von Grund- und Oberflächengewässern weitestgehend zu minimieren und dabei verstärkt das Potenzial von Alternativen wie der Nutzung von Prozess-, Regen- oder Brauchwasser auszuschöpfen,
  9. die weitere Flächenversiegelung und Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Flächen auf das unvermeidbare Maß zu reduzieren. Außerdem sollen unvermeidbare Versiegelungen ausgleichspflichtig gemacht werden und so die Neuversiegelung schrittweise bereits in dieser Legislatur auf weniger als drei Hektar pro Tag zu begrenzen,
  10. die Beratung zu wassersparender Anbausysteme und trockenresistenter Kulturen zu erweitern,
  11. eine Überprüfung der wasserwirtschaftlichen Genehmigungspraxis im Hinblick auf die Auswirkungen des Klimawandels in Verbindung mit der nachhaltigen Versorgung mit Lebensmitteln durchzuführen,
  12. den Generalplan Küste weiter zu entwickeln und einen Generalplan Siel- und Schöpfwerkbau auf den Weg zu bringen,
  13. die Siedlungsentwicklung im Sinne des Konzepts ‚Schwammkommunen‘ weiterzuentwickeln, um durch die Begrünung von Dächern, Fassaden und öffentlichen Flächen, Baumpflanzungen sowie der Flächenentsiegelung den Wasserrückhalt und das natürliche Versickern zu fördern,
  14. die Förderung für den Bau technischer Anlagen wie Speicherbecken und dazugehöriger Beregnungsinfrastrukturprojekte zu prüfen,
  15. die Förderung für Konzepte weiterer Retentionsmöglichkeiten wie bestehende Tonkuhlen oder Kolke (wassergefüllte Vertiefungen) zu prüfen,
  16. zu prüfen inwieweit Transportmöglichkeiten, speziell Wasserfernleitungen, für den überregionalen Ausgleich notwendig und zielführend sind, um ein ausreichendes Wasserangebot in allen Teilen des Landes sicherzustellen,
  17. zu prüfen inwiefern Genehmigungsverfahren für den Bau von Floating-PV-Anlagen vereinfacht werden können und zu prüfen, ob Floating-PV regelmäßig den Festlegungen zur Entwicklung eines infolge von Kies- oder Sandabbau entstehenden künstlichen Gewässers hin zu einem naturnahen Gewässer nicht entgegensteht,
  18. bei der geplanten und notwendigen Wiedervernässung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Moorstandorten, die über Generationen erfolgte, Kulturleistung anzuerkennen und die Transformation der Moorbodennutzung im Dialog mit Kommunen, Landwirtschaft, Naturschutz und Wasserwirtschaft durchzuführen,
  19. in der strategischen Ausrichtung, sowie in der praktischen Beratung des Ackerbauzentrums, einen stärkeren Fokus auf die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens und angepasste Fruchtfolge, neben Fragen des Bodenlebens und der –fruchtbarkeit, sowie des Humusaufbaus, als Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Bodenbearbeitung zu legen,
  20. die Forschung und Entwicklung zur Nutzung von aufgereinigtem Brauchwasser für die Wasserelektrolyse zu unterstützen.

Wir bitten die Landesregierung sich auf Bundesebene einzusetzen, dass

  1. eine stärkere Verankerung der Themen nachhaltiges Wassermanagement und Klimafolgenanpassung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung land- und forstwirtschaftlicher, sowie gartenbaulicher Berufe stattfindet,
  2. eine bessere Verzahnung von Maßnahmen zur öffentlichen Wasserversorgung zwischen den Bundesländern hergestellt wird.

Begründung

Die Ressource Wasser zählt laut EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) nicht zu den üblichen Handelswaren, „sondern ist ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss“. Deshalb es ist umso alarmierender, dass diese Ressource in den letzten Jahren aufgrund der weiter voranschreitenden Konsequenzen des Klimawandels in einen zunehmenden Nutzungsdruck zwischen öffentlicher Versorgung privater Haushalte, Industrie und Landwirtschaft gerät. Besonders in den Dürrejahren seit 2018 ist auch in Deutschland das Thema der Zielkonflikte rund um die Ressource Wasser verstärkt in den Fokus gerückt worden.

In ganz Niedersachsen ist es derzeit zu trocken: Das Helmholtz-Zentrum hat in seinem „Dürre-Monitor“ Anfang Juni landesweit die höchste Dürre-Warnstufe 5 („außergewöhnliche Dürre“) ausgerufen. Vor dem Hinblick einer heterogenen Ausganslage in den Landesteilen Niedersachsens braucht es ein landesweit abgestimmtes Konzept zum Wassermanagement mit Maßnahmen

zur Wasserversorgung und Hochwasserprävention. Es sind regional angepasste Lösungen für sich verschärfende Nutzungskonflikte und Klimafolgenanpassungen nötig.

Vor dem Hintergrund, dass sich sowohl das Wasserdargebot, die Wassernachfrage als auch die Qualität des Wassers in den nächsten Jahren und vor allem bedingt durch die Auswirkungen des Klimawandels verändern wird, ist es unabdingbar, sektorenübergreifende Lösungsansätze zu formulieren, um das sensible Gleichgewicht zwischen Wasserangebot und Wassernachfrage aufrecht zu erhalten. Zudem sollen unter Berücksichtigung regionaler Differenzen mittel- und langfristige Nutzungskonkurrenzen um die Ressource Wasser entspannt werden.

Dazu ist ein landesweites Wassermanagement notwendig, welches den entstehenden Diskrepanzen entgegensteuern kann. Neben der Industrie, den Verbrauchern und Verbraucherinnen stehen auch die Landwirtschaft und andere Wirtschaftszweige vor einer besonderen Verantwortung, die Ressource Wasser sparsam und zielgerichtet einzusetzen und das begrenzte Dargebot des Grundwassers zu schonen. Ein nachhaltiges und integriertes Wassermanagement für Niedersachsen soll die Konfliktpotenziale entschärfen und dazu beitragen die Qualität des Wassers zu schützen, das Gleichgewicht von Wasserdargebot und -nachfrage zu gewährleisten und eine sparsamere Wassernutzung und nachhaltigere Entwässerung ins Bewusstsein zu rücken. Dafür ist in vielen Regionen ein Paradigmenwechsel von der Entwässerung hin zu einem verbesserten Wasserrückhalt und einer Stärkung der Grundwasserneubildung erforderlich.

Mit einem nachhaltigen integrierten Wassermanagement sollen zudem Wasserressourcen mit Hilfe verschiedener Maßnahmen und Verfahren so effizient wie möglich genutzt werden. Dazu gehören das Zurückhalten, Auffangen, Weiternutzung sowie Versickerung von Regenwasser in Zeiten mit hohen Niederschlagsraten. Zukünftig sollen die Wasserressourcen in niederschlagsarmen Zeiten für Weiternutzungsmöglichkeiten, wie z.B. Feldberegnung zur Verfügung stehen, um jederzeit Wasser in einem einwandfreien Zustand und in ausreichender Menge zur Verfügung zu haben.

Es ist wichtig, dass alle wassernutzenden Akteure für diesen immer stärker zu Tage tretenden Konflikt sensibilisiert werden. In Zeiten, in denen die Folgen des Klimawandels immer offensichtlicher werden, muss ein Paradigmenwechsel hin zu einem sparsamen Umgang mit der Ressource Wasser stattfinden. Hierzu bedarf es breiter Bildungs- und Aufklärungskampagnen.

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