Meta Janssen-Kucz: Rede zur Verbesserung der flächendeckenden hausärztlichen Versorgung

TOP 27: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der flächendeckenden hausärztlichen Versorgung in Niedersachsen (Gesetzentwurf SPD/CDU)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

wir beraten heute einen Gesetzentwurf, dessen Titel nicht gerade bescheiden daherkommt: „Gesetz zur Verbesserung der flächendeckenden hausärztlichen Versorgung in Niedersachsen“. In Meppen oder Osterholz-Scharmbeck ist man vermutlich schon in heller Aufregung und fragt sich, ob demnächst wohl Herr oder Frau Doktor zum Hausbesuch kommt.

Was sich hinter diesem hochtrabenden Titel verbirgt, ist jedoch nicht etwa die Rettung für die vielen Regionen in Niedersachsen, in denen die medizinische Versorgung heute schon knapp ist. Es ist die Landarztquote.

Für die Menschen in Meppen oder Osterholz-Scharmbeck heißt das, dass mit etwas Glück im Jahr 2034 wieder eine Ärztin oder ein Arzt zum Hausbesuch kommen wird. Denn bis die ersten Studierenden fertig ausgebildet und einsatzbereit sind, werden noch rund mindestens 12 Jahre vergehen.

Anrede,

der Bedarf an Ärztinnen und Ärzten in ländlichen Regionen wird Studien zufolge bis zur Mitte der 2030er Jahre deutlich zunehmen – das hat auch die Enquete-Kommission zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung eindeutig festgestellt und deshalb ein ganzes Paket an Maßnahmen empfohlen. Allen voran hat die Enquete-Kommission sich für mindestens 200 zusätzliche Medizin-Studienplätze ausgesprochen, aber auch für zahlreiche Maßnahmen, um die Tätigkeit auf dem Land für junge Menschen attraktiv zu machen.

Anrede,

Wo aber bleibt da die Umsetzung? Bei den Studienplätzen geht es nicht voran, es gibt noch keine weiteren Professuren für Allgemeinmedizin, keine neuen Möglichkeiten, ärztliche Tätigkeiten an andere Gesundheitsberufe zu delegieren, keine Vergütungsanreize für Hausärztinnen und Hausärzte.

Die Regierungsfraktionen räumen in § 1 ja selbst ein, dass die Landarztquote nur Teil eines Maßnahmenpaketes sein kann.
Aber wo bleibt dann der Rest?

Anrede,

Landarztquoten gibt es mittlerweile in mehreren Bundesländern. Und manche werten es als Erfolg, dass sich viele junge Menschen auf diese Studienplätze bewerben.

Ich halte das für einen Trugschluss, der eigentlich nur Eines zeigt: wie viel junge Menschen bereit sind zu tun für den Traum vom Medizin-Studium.

Laut Gesetzentwurf müssen die Bewerberinnen und Bewerber sich verpflichten, nach dem Studium eine Facharztausbildung in der Allgemeinmedizin zu absolvieren und anschließend 10 Jahre in einem Gebiet irgendwo zwischen Harz, Heide und Küste hausärztlich tätig sein, für das Land und KVN einen Bedarf feststellen. Die Bewerberinnen und Bewerber verpflichten sich somit mit Anfang oder Mitte 20 für mindestens 22 Jahre.

So lange verpflichtet man sich nicht einmal bei der Bundeswehr!

Anrede,

vielleicht werden aus diesen jungen Menschen später begeisterte Landärztinnen und Landärzte. Vielleicht produzieren wir mit dieser Quote aber auch haufenweise frustrierte Landärztinnen und Landärzte, die im Laufe des Studiums festgestellt haben, dass ihnen Chirurgie, Neurologie oder Forschung viel mehr liegen.

Für uns ist deshalb klar, dass wir vor allem qualitative Ansätze brauchen, um die Tätigkeit auf dem Land für junge Menschen attraktiv zu machen. Denn ganz ehrlich: wie attraktiv ist eine Tätigkeit, für die man junge Menschen nur mit Knebelverträgen gewinnt? Verträge, aus denen man fast nicht mehr rauskommt und wenn, dann kosten sie richtig Geld, dass eigentlich eine Medizinstudentin noch nicht hat.

Anrede,

dazu kommt, dass eine Einzelarztpraxis schon lange nicht mehr dem Wunsch vieler Studierenden entspricht. Sie wollen im Team arbeiten, gerne im Angestelltenverhältnis und in Teilzeit. Das alles gibt eine Einzelarztpraxis derzeit nicht her. Der Fokus muss deshalb auf regionalen Versorgungszentren liegen, die genau diesen Bedürfnissen Rechnung tragen und als sektorenübergreifende Angebote auch ein deutliches Plus für die Qualität der Versorgung sein können.

 

Insbesondere der Wunsch nach Teilzeitarbeit bedeutet aber auch, dass wir für zwei ausscheidenden Ärztinnen und Ärzte mindestens drei neue brauchen, um das Versorgungsniveau zu halten. Die 1,1 Mio. Euro, die Sie in den nächsten zwei Jahren allein für das Auswahlverfahren ausgeben wollen, wären deshalb besser in neuen Studienplätzen angelegt.

Ich bin gespannt auf die Ausschussberatungen und bitte darum, dass wir in der Anhörung auch gezielt die Einschätzung junger studieninteressierter Menschen zu diesem Gesetzentwurf einholen.

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