Meta Janssen-Kucz: Rede zu „Community Health Nursing“ (Antrag GRÜNE)

Top 8 - Behandlungsqualität für Patientinnen und Patienten entscheidend verbessern – sektorenübergreifende Versorgung weiterentwickeln und Regionale Gesundheitszentren einführen. Antrag SPD/CDU Drs. 18/9561

Top 9 - Pflegeberufe stärken für eine zukunftsfähige kommunale Gesundheitsversorgung – „Community Health Nursing“ in Niedersachsen etablieren. Antrag Bündnis90/Die Grünen – Drs. 18/9591

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede

Wir sind uns fraktionsübergreifend einig, dass regionale Gesundheitszentren als interdisziplinäres Versorgungsangebot ein wichtiger Baustein sind, um die Versorgung in der Fläche zu sichern. Das ist auch in der Enquete-Kommission deutlich geworden.

Der vorliegende Antrag wurde um den Punkt 7 ergänzt. Uns Grüne war und ist es wichtig, die Erfahrungen aus den Gesundheitsregionen in den Aufbau von regionalen Gesundheitszentren einzubringen. Sie sind ein wichtiges Instrument für die Gestaltung vor Ort.

In den Gesundheitsregionen wurden unterschiedliche Projekte mit unterschiedlichen Akteuren vor Ort und auf Landesebene zusammengebracht und gemeinsam Projekte zur Stärkung des Gesundheitswesens auf dem Weg gebracht.

Dieses Know-how, diese interdisziplinäre Zusammenarbeit, die über die Jahre gewachsen ist, dürfen wir nicht aufgeben, bzw. so laufen lassen, wir müssen sie weiterentwickeln. Die Gesundheitsregionen sind der Motor für eine zukunftsfähige kommunale Gesundheitsversorgung vor Ort.

Seit 2014 fördert das Land mit der Ärztekammer, der AOK Niedersachsen, der Kassenärztlichen Vereinigung, den Ersatzkassen, dem BKK Landesverband Mitte Niedersachsen sowie der IKK classic die Entwicklung von kommunalen Strukturen und innovativen Projekten, die eine bedarfsgerechte und möglichst wohnortnahe Gesundheitsversorgung zum Ziel haben.

Bis heute sind die 37 Gesundheitsregionen nicht aus dem Projektstadion herausgekommen.  Die Gesundheitsregionen müssen endlich dauerhaft und verlässlich durch das Land und die Kostenträger finanziert werden. Das ist keine Spielwiese, hier geht es um Daseinsfürsorge für die Menschen vor Ort und wer kennt die Bedarfe besser, als die Akteure vor Ort.

Notwendig ist es die erfolgreichen Projekte aus den Gesundheitsregionen als Beispiele guter Praxis zu identifizieren und im Hinblick auf ihre Verstetigung und regionale oder landesweite Bedeutung zu überprüfen.

Das geplante Monitoring ist ein Anfang für Verstetigung und eine verlässliche Finanzierung und ein wichtiger Schritt für die Einführung von regionalen Gesundheitszentren.

Anrede

Aber um dem interdisziplinären Ansatz vollständig gerecht zu werden, muss auch Community Health Nursing (CHN) dazugehören – auch das hat die Enquete-Kommission in ihrem Abschlussbericht empfohlen. Darum unser Grüner Entschließungsantrag.

Die Gemeindeschwester plus, in der Fachwelt auch Community Health Nurses (CHN) genannt, gehört in vielen europäischen Ländern zum Alltag. Dort übernehmen speziell qualifizierte Pflegekräfte eigenverantwortlich Aufgaben in der Primärversorgung, wie z.B. Anamneseerhebung, Untersuchungen und die Behandlung einfacher Erkrankungen.

CHN oder Gemeindeschwestern sind in anderen Ländern (z.B. Skandinavien) längst etabliert – dort übernehmen sie auch Aufgaben des Primärversorgung, die hier bisher Ärzt*innen vorbehalten sind, z.B.

  • Anamnese
  • einfache Diagnostik wie Abhören oder Tastuntersuchungen
  • Verordnung von best. Medikamenten oder Hilfsmitteln
  • Impfungen

Daneben sind sie für Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung zuständig. Sie steuern Behandlungsprozesse und unterstützen die Patienten und Angehörige im Umgang mit komplexen Krankheitsbildern.

Anrede

Leider ist das in Deutschland bisher aufgrund der gesetzlichen Gegebenheiten nicht möglich. Innerhalb des gegebenen Rechtsrahmens können in Deutschland bisher nur einzelne Elemente des Konzepts der  Gemeindeschwester plus umgesetzt werden.

Andere Bundesländer haben sich schon auf dem Weg gemacht und setzen die Gemeindeschwester Plus, also das Community Health Nurses, als ergänzendes Versorgungsangebot um. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die Versorgungsqualität zu verbessern und Versorgungslücken zu schließen - die wir alle auf kommunaler Ebene kennen.

Wichtig ist dabei, dass die Gemeindeschwester plus - CHN – an die regionalen Gesundheitszentren angebunden und dort auch angestellt wird.

Anrede

Gerade die Pandemie lehrt uns, dass wir neue Wege gehen müssen. Hätte Niedersachsen jetzt schon CHN – die Gemeindeschwester plus, hätte sie verstärkt Infektionsprävention in Brennpunkten übernehmen, Tests durchführen und Impfaufklärung machen können.

In anderen Ländern sind diese Pflegekräfte akademisch ausgebildet und speziell für diese Tätigkeiten qualifiziert – sie arbeiten auf Augenhöhe mit Ärzt*innen. Es wird also nicht einfach die Arbeit nach unten delegiert, sondern substituiert!  Denn bei der bisherigen Delegation von Tätigkeiten wird nach Anweisung des Arztes gehandelt. Bei der Substitution üben die Pflegekräfte die Heilkunde selbstständig aus.

Leider gibt es in Deutschland keine entsprechende Ausbildung und es bleiben die engen Grenzen des Beruf- und Leistungsrechts.

Anrede

Deshalb fordern wir Grüne in unserem Antrag auch entsprechende gesetzliche Änderungen, die den Einsatz in der Primärversorgung ermöglichen und ein Studienangebot an den Nds. Hochschulen, damit wir CHN auch hier bei uns ausbilden können.

Der Bericht der Enquetekommission hat bundesweit Beachtung gefunden und findet Niederschlag in politischen Aktivitäten zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung.

Niedersachsen muss sich mit den Ergebnissen der Enquete an die Spitze der bundesweiten Bewegung setzen und die Gemeindeschwester plus von Anfang an bei der Einrichtung von regionalen Gesundheitszentren mitdenken und Studienangebote schaffen.

Anrede

Die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen, die Pflegekräfte, haben nicht nur das Potential, die Versorgung in bestimmten Regionen zu „retten“ – Nein - durch eine gute Zusammenarbeit von Medizin und Pflege wird die Versorgung für die Menschen besser. Und das ist das entscheidende Ziel!

Anrede

Wir sollten deshalb aufhören, einseitig darüber zu diskutieren, wie wir mehr Ärzt*innen aufs Land kriegen, sondern darüber welche anderen Versorgungsformen geeignet sind, um das Ziel einer guten Versorgung zu erreichen. Hier lohnt sich der Blick in andere Länder. Wir erfinden das Rad mit der Community Health Nurses nicht neu, wir wollen sie in Niedersachsen zusammen mit den kommunalen Gesundheitszentren etablieren.

Die Pflegereform des Bundes sieht mindestens ein Modellprojekt Community Health Nursing in jedem Bundesland vor. Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein der Gesundheitsversorgung.

Die Einrichtung von regionalen Gesundheitszentren in Niedersachsen ist deshalb eine gute Gelegenheit, auch dieses Thema mitzudenken und ein umfassendes Versorgungsangebot für die Menschen in Niedersachsen zu schaffen.

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