Antrag: Weltnaturerbe Wattenmeer retten: Keinen Hamburger Schlick vor der Vogelschutzinsel Scharhörn verklappen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Hamburg hat angekündigt, ausgebaggerten Schlick aus der Hamburger Elbe künftig auf einer neuen Fläche verklappen zu wollen (NDR 9.2.2022). In Zukunft sollen die Baggerschiffe den Schlick in ein Gebiet bringen, das in der Nähe der Vogelschutzinsel Scharhörn liegt. Die Insel befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Nationalpark Wattenmeer, das als Weltnaturerbe als besonders schützenswert gilt. Hamburg beruft sich auf ein Gutachten, wonach der Schlick keine unverträgliche Umweltbelastung auslösen würde. Umweltverbände kritisieren das Vorhaben hingegen massiv und sorgen sich, dass das belastete Baggergut Natur und Menschen gefährdet. Cuxhaven und die niedersächsischen Gemeinden an Außenweser und Unterelbe fürchten, dass sie von den negativen Folgen der Verklappung betroffen sein werden. Dass Hamburg seine Nachbarländer bei seiner Entscheidungsfindung nicht eingebunden hat, obwohl sie durch die Strömung betroffen sein werden, stößt auf Unverständnis und Kritik in Niedersachsen. Umweltminister Olaf Lies kündigte für die Landesregierung an, die Entscheidung der Hamburger vor Gericht bringen zu wollen (NDR 9.2.2022). Auch die Landesregierung in Schleswig-Holstein ist verärgert (Zeit 11.2.2022). Eine Beeinträchtigung des Wattenmeers und seiner Anrainer durch eine Verbringung von Sedimenten sei nicht auszuschließen, sagte Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne). Er forderte Hamburg auf, „vor etwaigen Schritten in diese Richtung den Ausschluss jeglicher Gefährdung unseres gemeinsamen Weltnaturerbes öffentlich nachzuweisen“.

Der niedersächsische Landtag begrüßt,

dass die Landesregierung plant, rechtliche Schritte gegen das Hamburger Vorhaben einzuleiten.

Der niedersächsische Landtag fordert die Landesregierung darüber hinaus auf,

  1. zu bewirken, dass der Schlick aus der Elbe auf keinen Fall vor der Insel Scharhörn verklappt wird und dass sichergestellt wird, dass der Nationalpark Wattenmeer und die Anrainer nicht durch den Hamburger Hafenschlick belastet werden; die dringend benötigte Hafenkooperation der Nordländer offensiv voranzubringen und ein norddeutsches Hafenkonzept zu entwickeln mit dem Ziel die für alle Seiten schädliche Konkurrenzsituation zu überwinden und stattdessen gemeinsam ein starkes Hafenteam  für Norddeutschland zu entwickeln und aufzustellen, das im internationalen Wettbewerb mit anderen großen Häfen wie in Antwerpen oder Rotterdam langfristig bestehen kann;
  2. in Zusammenarbeit mit Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und der Bundesregierung eine Strategie mit dem Ziel zu entwickeln, den Kreislauf immer weiterer Flussvertiefungen und zunehmender Verschlickung zu durchbrechen und eine umweltschonende Lösung für die Sedimentproblematik herbeizuführen;
  3. zu einer Kehrtwende in der Hafen- und Schifffahrtspolitik mit dem Ziel beizutragen, die Entwicklung von immer größeren Containerschiffen, die zu immer mehr Flussvertiefungen führen und damit immer größeren Schäden in den Ökosystemen anrichten, zu stoppen.

Begründung

Hamburg verklappt bisher seinen Schlick aus dem Hafen in der Nähe der Elbinsel Neßsand. Das Problem: Ein Großteil des Schlicks treibt recht schnell wieder nach Hamburg zurück. Weitere Verklappungsgebiete für Schlick aus dem Hamburger Hafen und der Unterelbe sind der neue Lüchtergrund vor Cuxhaven und die Tonne E3 vor Helgoland. Die Ankündigung der Hansestadt, alternativ den Hafenschlick künftig am Rande des Nationalparks vor der Insel Scharhörn verklappen zu wollen, hat zu Empörung und massiver Kritik bei Verbänden, Gemeinden und Anrainer*innen in Niedersachsen und auch in Schleswig-Holstein geführt. Laut eines Gutachtens der Hamburger Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) soll die Verklappung die benachbarten Länder nicht übermäßig belasten und die Folgen sollen für die Umwelt verträglich sein. Umweltverbände halten jedoch dagegen, dass das Baggergut durchaus das Weltnaturerbe gefährde und Niedersachsens Küste Schaden zufüge. Das Aktionsbündnis Lebendige Tideelbe, ein Zusammenschluss der Verbände BUND, NABU und WWF, fordert Hamburg auf, seine Pläne zu stoppen. Zu befürchten seien laut des Bündnisses „schwere Schäden für die Vogelwelt und das Leben im Watt“ (NDR 9.2.2022). Die Nachbarländer zeigen sich irritiert von der einseitigen Ankündigung künftiger Verklappungen durch die Hamburger Behörden, ohne zuvor Niedersachsen und Schleswig-Holstein in den Prozess einzubinden und eine Zustimmung einzuholen.

Bei aller marktwirtschaftlichen Konkurrenz untereinander ist eine Kooperation der norddeutschen Häfen notwendig, um die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit des norddeutschen Standortes auch in Zukunft zu erhalten. Die unabgestimmte Durchsetzung von Singularinteressen ausschließlich aus der Perspektive einzelner Häfen wie jetzt in Hamburg mit der geplanten Verklappung des Schlicks am Rande des Nationalparks Wattenmeer schwächen am Ende alle drei Standorte in Hamburg, Bremen und Wilhelmshaven. Wenn die norddeutschen Häfen weiter gegeneinander agieren, werden sie in der Konkurrenz gegenüber anderen Häfen wie in Rotterdam und Antwerpen absehbar scheitern. Alle drei Häfen stehen vor großen Herausforderungen, die sie nur gemeinschaftlich bestehen können.

Die mehrfachen Vertiefungen der Elbe als Zufahrt zum Hamburger Hafen führen zu massiven Problemen: Sie wirken sich ökologisch extrem schädlich auf Flüsse und ihre Auen aus und sie gefährden darüber hinaus die Deichsicherheit, weil die Strömung immer stärker wird und das Hochwasser der Nordsee schneller und weiter in das Binnenland vordringen kann. Eine sich weiter zuspitzende Konkurrenz der norddeutschen Häfen belastet nicht nur die Ökosysteme, sondern sie ist auch teuer. Umso mehr müssen die Eigeninteressen der Länder zugunsten einer gemeinsamen norddeutschen Hafenpolitik überwunden werden und ein gemeinsames Hafenkonzept entwickelt werden. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit sind Lösungen zu finden, wie die Vertiefungen und die zunehmende Verschlickung und deren Verklappung beendet werden können.

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