Antrag: Vorlage eines Gesetzes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst

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Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN Hannover, den 18.06.03
Betr: Vorlage eines Gesetzes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst
Für den Öffentlichen Gesundheitsdienst gelten nach wie vor die Bestimmungen des "Gesetzes über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 3. Juli 1934" und die dazu erlassenen Durchführungsverordnungen.
Die dort festgelegten Aufgaben und Ziele entsprechen schon lange nicht mehr dem, was heute an Zielen, Anforderungen und Aufgaben von den Gesundheitsämtern in der Praxis erfüllt werden muss. Erwähnt seien hier beispielsweise die damals festgelegten Zielsetzungen wie "Bekämpfung des Geburtenrückgangs", "Krüppelfürsorge", "gesundheitliche Volksbelehrung" u.a. .
Niedersachsen gehört neben Hessen zu den beiden letzen Bundesländern, die kein eigenes Landesgesetz für den Öffentlichen Gesundheitsdienst haben. 50 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist die rechtliche und inhaltliche Neubegründung der Arbeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes überfällig.
Entschließung
Der Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird aufgefordert, in dem von ihr angekündigten Gesetz für den Öffentlichen Gesundheitsdienst u.a. folgende Aufgabenbereiche zu regeln:
- Landesgesundheitsziele werden auf Grund prioritärer Gesundheitsprobleme in Niedersachsen definiert. Im Rahmen einer Landesgesundheitskonferenz werden die erforderlichen Maßnahmen mit den Akteuren des Gesundheitswesens und Vertretern der Patientinnen und Patienten abgestimmt. Die Evaluation dieser Maßnahmen erfolgt durch eine Gesundheitsberichterstattung.
- Eine Gesundheitsberichterstattung auf kommunaler und regionaler Ebene wird eingeführt, die kleinräumig gegliederte Informationen zur gesundheitlichen Situation der Bevölkerung enthält und als Planungsgrundlage gesundheitlicher Maßnahmen dient. Der Gesundheitsbericht wird im Abstand von zwei Jahren von einem unabhängigen Gremium erstellt. Das Thema "Umwelt und Gesundheit" ist integrierter Bestandteil des Berichts.
- Bei Planungsvorhaben auf kommunaler und regionaler Ebene sind die gesundheitlichen Belange der Bevölkerung durch Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen stärker zu berücksichtigen.
- Dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) wird die Aufgabe zugeordnet, über kommunale Gesundheitskonferenzen eine bessere lokale Koordination der Akteure im Gesundheitswesen sicherzustellen.
- Das Aufgabenspektrum der Gesundheitsämter ist den veränderten gesundheitlichen Anforderungen anzupassen; Gesundheitsförderung und Maßnahmen zur Prävention sollen für die Arbeit der Gesundheitsämter handlungsleitend werden. Die vorhandenen Mittel sind insbesondere auf Gesundheitshilfen für benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu konzentrieren, denn der Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Gesundheit ist offensichtlich. Armut ist eine Ursache von Krankheit, zugleich ist Krankheit aber auch eine Ursache von Armut.
- Der ÖGD soll nur noch ausnahmsweise direkter Leistungserbringer von Gesundheitshilfen sein. Die Kommunen sollen Freiräume erhalten, nicht alle Leistungen selbst erbringen zu müssen, sondern diese durch Dritte nach vorgegebenen qualitätsgerichteten Kriterien erbringen zu lassen.
- Die Differenzierung der Gesundheitsämter zu Schwerpunktgesundheitsämtern ist zu ermöglichen.
- Die Leitung eines Gesundheitsamtes soll durch eine auch im Management und Gesundheitswesen erfahrene Person erfolgen und nicht lediglich auf Grund ärztlicher Qualifikationen vergeben werden.
- Das niedersächsische Landesgesundheitsamt ist als Dienstleister für die Landesregierung und für die Gesundheitsämter weiterzuentwickeln.
Begründung

Die Landesregierung hat angekündigt, eine neues Gesetz für den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu erarbeiten, daß noch in diesem Jahr dem Landtag zur Beratung vorgelegt werden soll.
Die Veränderungen im Krankheitsspektrum, die Zunahme chronischer Erkrankungen, die demografische Alterung der Gesellschaft, die Zunahme gesundheitlich unterversorgter Bevölkerungsgruppen und das wachsende Wissen über komplexere Ursachenzusammenhänge von Krankheitsentstehungen und die Grenzen der kurativen Medizin erfordern einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik hin zur Erhaltung von Gesundheit und zur Prävention. Hierzu bedarf es eines neuen Aufgabenprofils des ÖGD.
Eine Neuorientierung des öffentlichen Gesundheitswesens und eine Weiterentwicklung des Gesundheitsamtes hin zu einer kommunalen Dienstleistungseinrichtung kann nur auf Basis neuer gesetzlicher Grundlagen gelingen.
Das neue Gesetz für den öffentlichen Gesundheitsdienst muss sich wirksamer an den gesundheitlichen Problemlagen der Bürgerinnen und Bürger ausrichten. Lebensverhältnisse und Gesundheitsverhalten sollen mit gesundheitsplanerischen und gesundheitsfördernden Maßnahmen so beeinflusst werden , dass alle bei höchstmöglicher Lebensqualität ein hohes Lebensalter erreichen können. Ein ÖGD-Gesetz bietet die Chance, kommunale Gesundheitspolitik als eigenständiges Handlungsfeld zu entwickeln und den kommunalen Gesundheitsdienst zu einer fachkundigen Beratungseinrichtung mit querschnittsorientierter Koordinierungs- und Steuerungskompetenz zu machen. Es eröffnet Möglichkeiten, in das Angebot nicht nur neue Leistungen aufzunehmen, sondern auch zu Änderungen von Verfahren und Strukturen zu kommen. Dort, wo neue Leistungen in das Angebot des ÖGD aufgenommen werden, sollten diese durch Umschichtungen innerhalb des Aufgabenfeldes finanziert werden. Dazu bedarf es aber der Überprüfung des bisherigen Aufgabenkataloges. So sind z.B. im Bereich der formal-rechtlichen Aufgaben für Berufe im Gesundheitswesen Neuregelungen notwendig, um Doppelarbeit zu reduzieren. Auch die bisherige umfangreiche gutachterliche Tätigkeit sollte eingeschränkt oder stärker als bisher als Marktleistung angeboten werden.
Organisatorische Veränderungen schaffen zusätzlich die Voraussetzung für Effektivität- und Effizienz und zur Möglichkeit, Dienstleistungen für Dritte anzubieten. Dabei soll dem ÖGD das Niedersächsische Landesgesundheitsamt auch in Zukunft unterstützend zur Seite stehen.
Fraktionsvorsitzende

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