Antrag: Die 3. Corona-Welle entschlossen brechen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Von vielen Expert*innnen wurde die stark zunehmende Entwicklung der Infektionszahlen im März 2021, getrieben durch die SARS-COV2-Variante B.1.1.7, korrekt prognostiziert. Am 19.04.2021 gab es in Deutschland noch fünf Landkreise, in denen die Sieben-Tages-Inzidenz unter 50 liegt. Nach §28a Infektionsschutzgesetz sind bei Überschreitung dieses Wertes "umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen." Dies ist bei den bisher beschlossenen Maßnahmen nicht der Fall.

Die jetzige Situation nimmt nach Einschätzung von Intensivmediziner*innen dramatische Ausmaße an. Das exponentielle Wachstum der dritten Welle ist noch nicht gebrochen und die Prognosen für die intensivmedizinischen Kapazitäten, die schweren Krankheitsverläufe und Todeszahlen machen deutlich, dass konsequentes Handeln geboten ist, um die Infektionszahlen zu senken. Wissenschaftler*innen machen seit einigen Wochen deutlich, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht geeignet sind, um das exponentielle Wachstum zu brechen. Weite Bereiche des privaten Lebensumfeldes sind durch Kontaktbeschränkungen stark reduziert, während Homeoffice-Regelungen und Testpflicht am Arbeitsplatz noch immer nicht in dem Maße umgesetzt wurden, dass sie die Mobilität ausreichend reduzieren und Infektionsketten am Arbeitsplatz konsequent durchbrechen. Um eine Perspektive im Leben mit dem Virus und auf Lockerungen auch in den Bereichen zu schaffen, die seit Monaten von den Maßnahmen massiv betroffen sind, ist es nötig, die Infektionszahlen deutlich zu senken.

Der Landtag stellt fest:

  1. Die beschlossenen und die beabsichtigten Maßnahmen im Rahmen der bundeseinheitlichen Gesetzgebung reichen nicht aus um die dritte Welle effektiv zu bremsen und den R-Wert unter 1 zu senken. Auch die in Niedersachsen bisher ergriffenen Maßnahmen sind hierfür nicht ausreichend.
  2. Das Personal im Gesundheitssystem arbeitet seit Monaten unter extremen Belastungen, die physischen und psychischen Auswirkungen sind besorgniserregend und dürfen in diesem Ausmaß nicht länger hingenommen werden.
  3. Die Gefahr einer 4. Corona-Welle, die besonders Familien treffen könnte, muss berücksichtigt werden.
  4. Nur ein konsequentes Senken der Corona-Infektionszahlen führt zu konstant niedrigen Infektionszahlen. Nur dann gibt es eine zuverlässige Perspektive für gesellschaftliches Leben mit dem Virus und damit auch für den Handel, die Gastronomie, die Veranstaltungsbranche, für Kulturschaffende und den Tourismus - in allen Landkreisen und nicht nur in Modellkommunen. Mit Begleitmaßnahmen gibt es anschließend eine Perspektive, die Infektionszahlen auch konstant niedrig zu halten und künftige Wellen frühzeitig zu verhindern.
  5. Geplante Modellöffnungen bergen in der jetzigen Situation das Risiko, die Situation der dritten Welle noch einmal zu verschärfen
  6. Eine einheitliche und verständliche - auch mehrsprachige und aufsuchende - Kommunikationsstrategie von Behörden und Landesregierung ist ein zentraler Baustein für eine erfolgreiche Pandemiebekämpfung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. effektive Maßnahmen zu ergreifen, die kurzfristig dazu geeignet sind, den R-Wert unter 1 zu senken und die Infektionszahlen dadurch in den nächsten Wochen deutlich zu reduzieren und damit die dritte Welle zu brechen.
  2. weitere Maßnahmen zu ergreifen, welche die Sieben-Tages-Inzidenz unter 50 senken, wie in §28a Infektionsschutzgesetz vorgeschrieben.
  3. anknüpfend an die Idee einer Osterruhe mit der Wirtschaft Gespräche aufzunehmen, wie eine deutliche Kontaktreduzierung in unserer Gesellschaft - mit Blick auf anstehende Feiertage - umgesetzt werden kann.
  4. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass Gesundheitsschutzmaßnahmen für den Arbeitsplatz, wie die Ausweitung von mobilem Arbeiten/Homeoffice, Masken und eine Pflicht zur Testbereitstellung im Bundesinfektionsschutzgesetz festgeschrieben werden.
  5. in Niedersachsen darauf hinzuwirken, dass es analog zu anderen Bundesländern eine Testbereitstellungspflicht am Arbeitsplatz gibt.
  6. mit Unternehmen darüber ins Gespräch zu kommen, wie die Mobilität zu Stoßzeiten und die Ansteckung am Arbeitsplatz noch weiter reduziert werden können und ggf. zusätzliche Angebote die Mobilität zu Stoßzeiten entzerren können, solange keine weiteren mobilitätsreduzierenden Maßnahmen ergriffen werden.
  7. hilfsweise mit den Anbietenden des Öffentlichen Personennahverkehrs ins Gespräch zu kommen, wie zusätzliche Angebote die Mobilität zu Stoßzeiten entzerren können, solange keine weiteren mobilitätsreduzierenden Maßnahmen ergriffen werden.
  8. eine Ombudsstelle einzurichten, bei der Probleme, Verstöße oder auch Unsicherheiten bei der Umsetzung von Hygiene-Regeln am Arbeitsplatz angesprochen werden können.
  9. schon jetzt Vorkehrungen zu treffen, um flächendeckend Konzepte für ein Leben mit dem Corona-Virus bei niedrigeren Inzidenzen durch Begleitmaßnahmen wie Schnelltests umsetzen zu können und damit künftig ein erneutes Hochschnellen der Zahlen zu verhindern.

Begründung

Die Belegung der Intensivstationen mit COVID-19-Patient*innen befindet sich in Deutschland auf einem hohem Niveau, eine Überschreitung der Krankenhauskapazitäten darf unter keinen Umständen riskiert werden. Wenn die bestehenden Maßnahmen nicht ausreichen, den R-Wert unter 1 zu senken, besteht die unmittelbare Gefahr eines Überschreitens der bundesweiten Kapazitätsgrenze der Intensivstationen mit der daraus zwangsläufig folgenden Triage.

Die Arbeitswelt, in der die allermeisten Kontakte stattfinden, muss konsequent in den Blick genommen werden - mehr Homeoffice und eine Testpflicht müssen da umgesetzt werden, wo Menschen zusammenkommen, so können viele Infektionen vermieden werden.

Bisher hat das Land Niedersachsen auf das Werkzeug der systematischen Abwasseruntersuchung verzichtet. Die Kommission der Europäischen Union fordert die Mitgliedsstaaten jedoch "nachdrücklich" auf, dieses wichtige Werkzeug der Pandemiebekämpfung "so schnell wie möglich" zu nutzen.

Gerade im Frühjahr und Frühsommer ist „Draußen ist das neue drinnen“ für viele Bereiche eine Perspektive im Leben mit Corona. Digitale Konzerte und Kultur - wie Bremen es mit dem Förderprogramm Club 100 vormacht - gibt Kulturschaffenden, aber auch dem Publikum endlich wieder im Kleinen das, auf das sie seit einem Jahr verzichten müssen.

Nur wenn jetzt entschlossen gehandelt wird, kann die 3. Welle gestoppt und der Trend der Infektionen umgekehrt werden. Maßnahmen, die den Status Quo höchstens verlängern, sind verantwortungslos und zermürben die Menschen in Niedersachsen immer mehr. Mit jedem weiteren verschenkten Tag, steigt die Zahl der Opfer und der Weg zurück zu niedrigen Infektionszahlen wird noch länger. Die Corona-Pandemie hält sich nicht an politische Beschlüsse oder Wunschdenken, die Kontrolle über das Infektionsgeschehen muss schnellstmöglich hergestellt werden

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