Änderungsantrag: Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen für Menschen mit chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) verbessern

Menschen mit chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) unterstützen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/10173

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - Drs. 18/11006

Der Landtag wolle den Antrag in folgender Fassung beschließen:

Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen für Menschen mit chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) verbessern

Entschließung

An ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom) erkrankte Menschen leiden an verschiedenen Symptomen wie z. B. starker Erschöpfung, die die Alltagsaktivität und die berufliche Tätigkeit deutlich beeinträchtigt und sich durch geringe körperliche oder geistige Anstrengung langandauernd verschlechtert. Daneben treten aber auch Kreislaufprobleme und Infektionsanfälligkeit auf. Die Ursachen dieser Erkrankung, die auch Kinder betrifft, sind noch weitgehend ungeklärt. Wissenschaftler vermuten eine Autoimmunerkrankung, die möglicherweise zu einer Störung des Energiestoffwechsels führt. Es fehlt an Einrichtungen zur Beratung und Behandlung. Die Diagnose ist schwierig, weil es sich um eine Ausschlussdiagnostik handelt.

Deshalb bittet der Landtag die Landeregierung,

  1.  eine Pilot-Beratungsstelle für ME/CFS-Erkrankte einzurichten, die landesweit tätig ist und insbesondere digitale Beratung anbietet, und darüber hinaus Maßnahmen zu prüfen, damit bestehende Beratungsstellen gezielt über die Erkrankung und Unterstützungsangebote informieren können, auf die Bedürfnisse von Menschen mit ME/CFS ausgerichtet werden, beispielsweise durch entsprechende Beratungszeiten und digitale Angebote, und dabei auch das familiäre Umfeld berücksichtigen,
  2. Initiativen zur Einrichtung einer ME/CFS-Ambulanz in Niedersachsen mit Unterstützung des Bundes entsprechend der Koalitionsvereinbarung vom 24. November 2021 zu fördern und diese Spezialambulanz auch als Grundlage für klinische Forschung durch die Implementierung von Daten- und Biobanken zu nutzen,
  3. mit den Leistungsanbietern zu prüfen, ob spezielle ambulante und stationäre Pflegeangebote benötigt werden, die entsprechende Schulungen für Pflegekräfte anbieten und sich auch auf die besonderen Bedürfnisse für die Versorgung der Schwerstpflegefälle einstellen,
  4. darauf hinzuwirken, dass Fortbildungsangebote für Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal sowie Therapeutinnen und Therapeuten zur ME/CFS-Erkrankung angeboten werden,
  5. durch Öffentlichkeitsarbeit über ME/CFS Verständnis und Akzeptanz zu verbessern,
  6. in Fachgesprächen mit dem Bundesministerium für Gesundheit auf das Erfordernis einer deutschen Leitlinie für ME/CFS hinzuweisen,
  7. die Forschung zu den Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von ME/CFS durch Teilnahme niedersächsischer Forschungseinrichtungen an internationalen Forschungsnetzwerken (z. B. EUROMENE) durch geeignete Anreize zu intensivieren,
  8. zu prüfen, ob spezielle ambulante und stationäre Rehamaßnahmen notwendig sind, wobei das Leitsymptom „Postexertionelle Malaise“ berücksichtigt werden sollte,
  9. zu prüfen, ob die Forschung und Behandlung von ME/CFS im Verbund mit Einrichtungen für andere Erkrankungen, deren Ätiologie ebenfalls weitgehend ungeklärt ist, gefördert werden kann,
  10. die Betroffenen bei den Aktivitäten einzubeziehen,
  11. die Rentenversicherungsträger und Krankenkassen aufzufordern, spezielle vertragliche Vereinbarungen bzw. Versorgungsverträge für die Rehabilitation ME/CFS-Erkrankten mit den Einrichtungen zu schließen und dieses Angebot ihren betroffenen Versicherten zu kommunizieren,
  12. die Sozialleistungsträger für das Krankheitsbild ME/CFS zu sensibilisieren und nach Lösungen zu suchen, wie der Zugang zu Leistungen (insb. Pflegegrad, Grad der Behinderung, persönliches Budget, Erwerbsunfähigkeitsrente) für ME/CFS-Erkrankte verbessert werden kann,
  13. mit Kostenträgern und Leistungserbringern nach Lösungen zu suchen, wie der Zugang von Betroffenen zu Palliativ- und Hospizversorgung gewährleistet werden kann,

Begründung

Die Prävalenz von ME/CFS wird Wissenschaftler*innen zufolge durch die Corona-Pandemie deutlich steigen. Während vor der Pandemie bereits etwa 25.000 Menschen allein in Niedersachsen an ME/CFS litten, ist nun damit zu rechnen, dass etwa 1 bis 2% aller Covid-Infizierten unter 60 Jahren zusätzlich an Langzeitfolgen in Form von ME/CFS leiden werden. Auch Kinder und Jugendliche, sowie junge Erwachsene sind davon betroffen.

Das Institut für Medizinische Immunologie der Charité in Berlin erhält für sein Forschungsprojekt „CFS Care - Versorgungskonzept für Patienten mit ME/CFS“ vom Innovationsausschuss des Ge-meinsamen Bundesausschusses eine Förderung von 2,8 Millionen Euro. Somit gibt es in Deutsch-land Aktivitäten zur Verbesserung der Lage von ME/CFS-Erkrankten. Die Kapazitäten der Ambulanz an der Charité, weitere Patientinnen und Patienten sowie ihre Anliegen anzunehmen, sind jedoch erschöpft, da sie bundesweit nachgefragt wird. Niedersachsen sollte einen Beitrag leisten, um mehr spezielle Versorgung anzubieten.

In der Anhörung zum Antrag Menschen mit chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) unterstützen (Ds. 18/10173) ist deutlich geworden, dass sowohl die medizinische Versorgung als auch der Zugang zur sozialen Sicherung defizitär sind. Angesichts steigender Prävalenz ist deshalb ein verbindliches Beratungsangebot für Betroffene und Angehörige zu schaffen, das über die Erkrankungen und mögliche Unterstützungsleitungen informiert. Um ein flächendeckendes Angebot in Niedersachsen zu schaffen, soll die Beratung zunächst primär digital angeboten werden. Darüber hinaus ist der Zugang zu Sozialleistungen für Betroffenen zu verbessern. Hier gibt es aufgrund von fehlendem Wissen bei Gutachter*innen häufig Schwierigkeiten, eine Erwerbsunfähigkeitsrente, einen Pflegegrad oder Behindertenausweis zu beantragen. Für Betroffenen mit sehr hoher Krankheitslast muss zudem der Zugang zur Palliativ- und Hospizversorgung gewährleistet sein.

 

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