Grußwort „Generation der Möglichkeiten“:Grußwort anlässlich der n-21-Tabletpreisverleihung
„Grußwort „Generation der Möglichkeiten“ (Es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrter Herr Sternberg (Geschäftsführer der Landesinitiative n-21),
Sehr geehrter Herr Brüning (Juror),
liebe Kollegen Siebels und Försterling,
vor allem aber: liebe Preisträgerinnen und Preisträger,
es ist mir eine große Freude, Sie heute im Landtag begrüßen zu dürfen und mit Ihnen gemeinsam die Leistungen der zwei Redaktionsteams zu würdigen, deren Arbeit uns im vergangenen Schuljahr besonders begeistert hat.
Die Landesinitiative n-21 und der Niedersächsische Landtag kooperieren nun schon seit vielen Jahren mit dem Ziel, die Medienkompetenz von Schülerinnen und Schülern zu stärken und sie für Politik zu begeistern. Ich selbst bin immer wieder von Neuem beeindruckt von der Originalität, dem Sprach- und Reflexionsniveau der Beiträge, die im Rahmen des Projektes entstehen, und freue mich schon jetzt auf die Wiederaufnahme des Projektes nach der coronabedingten Zwangspause.
Liebe Schülerinnen und Schüler,
Sie wachsen unter einzigartigen Bedingungen auf. Nie zuvor standen einer Generation beim Entwurf der eigenen Biografie mehr Wahlmöglichkeiten offen. Die Zahl der Optionen bei der Wahl des Berufes und der Wahl des Lebensmittelpunkts wächst ebenso wie die Zahl der möglichen Lebensformen und Lebensstile.
Die Möglichkeiten der Freizeit- und Beziehungsgestaltung sind so ebenso vielfältig wie die Vorstellungen von Normalität und Identität.
Die Wahlfreiheit, der Sie sich gegenübersehen, ist mit enormen Herausforderungen verbunden. Der Sozialwissenschaftler Wilfried Ferchhoff beschreibt, wie grundlegend sich der Prozess des Erwachsenwerdens durch den Wandel der Bedingungen verändert hat: Wenn soziale und ökonomische Verortung für meine Generation oft noch bedeutete, einen Platz in einem weitgehend stabilen Gefüge einzunehmen, sind die Randbedingungen, an denen Sie Ihre Lebensentwürfe ausrichten können, sehr viel unverbindlicher.
Wo wir eine Entscheidung getroffen haben, treffen Sie hunderte. Lassen Sie es mich an einem alltäglichen Beispiel illustrieren: Viele Ihrer Eltern haben im Laufe ihres Lebens eine Tageszeitung auserkoren, die ihnen hinsichtlich des Schreibstils, der politischen Haltung und den thematischen Schwerpunkten zusagt. Die meisten von Ihnen dagegen jonglieren ein ganzes Portfolio aus redaktionellen wie sozialen Medien und bestimmen durch Ihr Nutzungsverhalten täglich neu, welche Inhalte welcher Quellen zukünftig in Ihrem ganz persönlichen Informationsmix Berücksichtigung finden.
Ihre Generation, schreibt Wilfried Ferchhoff voller Bewunderung, hat bemerkenswerte Fertigkeiten darin entwickelt, im höchsten Maße individuelle, dynamische und dennoch kohärente Lebens-entwürfe durch die aktive Auswahl von hunderten Facetten zu formen, ohne dabei auf „Paketlösungen“ zurückzugreifen, welche früheren Generationen als Orientierung dienten.
Diese Art der Lebensgestaltung lässt sich auch im politischen und sozialen Engagement Ihrer Generation erkennen. Studien belegen, dass Jugendliche zeitbegrenzte, thematisch fokussierte Aktionen in eigener Regie bevorzugen. Sie suchen nach direkten politischen Einflussnahmen und unmittelbaren Teilhabemöglichkeiten.
Den etablierten politischen Parteien und Institutionen begegnen Sie dagegen mit Skepsis: Kontinuierliches Engagement in hierarchischen Zusammenhängen und programmatische Kopplung verschiedener Themenbereiche laufen dem beschriebenen Lebensgefühl auf den ersten Blick zuwider. Institutionelle Abläufe erscheinen im Vergleich zur Flexibilität und Dynamik der eigenen Lebensgestaltung behäbig.
Für Politikerinnen und Politiker bedeutet dies eine große Herausforderung: Wir stehen einer jungen Generation gegenüber, die politisch und gesellschaftlich interessiert ist. Einer Generation, die sich politisch einbringen will, gleichzeitig aber Vorbehalte hat gegenüber den Institutionen und Prozessen, in denen politische Gestaltung stattfindet
Ich bin überzeugt, dass wir Politikerinnen und Politiker alles daransetzen müssen, den Gestaltungsimpuls Ihrer Generation fruchtbar zu machen. Wir müssen daran arbeiten, dass das Vertrauen Ihrer Generation in die Zukunft unserer Gesellschaft und in unsere Demokratie sich auch auf die Arbeit der Institutionen erstreckt. Wir müssen verstehen lernen, worauf sich die Vorbehalte der Jugendlichen gründen. Und wir müssen den Vorbehalten begegnen. Deswegen sind Projekte wie das der Landesinitiative n-21 so wichtig.
Sie haben sich ein eigenes Bild von den Tätigkeiten der Abgeordneten und vom Politikbetrieb im Landtag gemacht und können nun berichten: Mit welchen Erwartungen sind Sie hergekommen? Welche Vorurteile haben Sie bestätigt gefunden, welche haben Sie revidiert?
Liebe Schülerinnen und Schüler,
bevor wir zur Preisverleihung übergehen, möchte ich Ihnen danken, dass Sie sich auf die Arbeit in der n-21 Onlineredaktion eingelassen haben. Die Tage, an denen Sie aus dem Landtag berichtet begleitet haben, waren sicher intensiv und interessant aber auch anstrengend und anspruchsvoll.
Mein Dank geht zugleich an Ihre Lehrerinnen und Lehrer, die Ihnen die notwendigen Freiräume für eine Teilnahme verschafft haben: Ohne Ihre Unterstützung wäre ein Projekt wie dieses nicht möglich.
Schließlich möchte ich den Abgeordneten danken, die Ihnen als Paten zur Seite gestanden haben. Sie haben sich Ihren Fragen gestellt und ihre Gedanken mit Ihnen geteilt, um ihre Tätigkeit für Sie greifbar zu machen.
Ich hoffe sehr, dass die Eindrücke, die Sie, liebe Schülerinnen und Schüler, hier im Landtag gesammelt haben, Sie in Ihrem politischen Interesse bestärken und dass Ihr Wunsch, an der Zukunftsvision Ihrer Generation mitzugestalten, weiterwächst. Ich bin zuversichtlich, dass Ihr Verständnis für und Ihr Vertrauen in das politische Establishment zugenommen hat. Und ich baue darauf, dass Ihre Erfahrungen und Eindrücke durch Ihre bemerkenswerten journalistischen Arbeiten in Ihrer Generation auf Resonanz stoßen.
Meinen Glückwunsch zu der heutigen Auszeichnung und alles Gute für die Zukunft!
Meta Janssen-Kucz
Vizepräsidentin des Niedersächsischen Landtages
>> Zum Bericht auf der Seite des Niedersäschischen Landtages