Meta Janssen-Kucz: Rede zur flächendeckenden hausärztlichen Versorgung

Rede TOPs 9/10: Entwurf eines Gesetzes zu Verbesserung der flächendeckenden hausärztlichen Versorgung in Niedersachsen

Qualitativ hochwertige ärztliche Versorgung auch zukünftig flächendeckend sicherstellen – ambulante Versorgung in Niedersachsen stärken und weiterentwickeln (GE und Antrag SPD/CDU-Fraktionen)

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Anrede

heute beschließt die Mehrheit die sogenannte Landarztquote für Niedersachsen. Fakt ist, die Landarztquote ist kein alleiniges Rezept zur schnellen Heilung akuter Probleme bei der medizinischen Versorgung in vielen ländlichen Regionen in Niedersachsen.

Durch das komplizierte und erst jetzt installierte Auswahlverfahren der jungen Menschen, die dann einen der 60 Studienplätze ergattern, verschiebt sich der Studienbeginn auf das Wintersemester 2023/24.

Die Bewerber*innen müssen sich verpflichten nach dem Studium eine Facharztausbildung in der Allgemeinmedizin zu absolvieren und anschließend 10 Jahre in einem „unterversorgten Gebiet“ zwischen Nordseeküste, Harz und Heide hausärztlich tätig sein.

Wir alle wissen, dass ein Medizinstudium mindestens 12, eher 15 Jahre dauert. Das bedeutet, das Gesetz das wir heute beschließen, beschert uns 2035 bis 2040 die ersten sogenannten Landärzte.

Aktuell sind schon jetzt über 30 Prozent der Vertragsärzte über 60 Jahre alt. Schon in 9 Jahren, also 2031, erreichen 60 Prozent der Hausärzte das Rentenalter und scheiden voraussichtlich aus. 2030 müssten 5.000 Hausärzte tätig sein, um die Bevölkerung zu versorgen. Tatsächlich werden es nur 4.200 sein. Es werden 800 Hausärzte fehlen.

Eigentlich müssen jährlich 250 der niedersächsischen Hausarztsitze wiederbesetzt werden, aber aktuell werden nur 130 wiederbesetzt.

Die Lage entspannt sich nicht, sondern die Unterversorgung wird in den nächsten 15 Jahren massiv zunehmen.

Damit ist und bleibt die Landarztquote mit 60 zusätzlichen Studienplätzen verteilt auf Oldenburg, Hannover und Göttingen ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Anrede

Wir brauchen vor allem qualitative Ansätze, um die Tätigkeit auf dem Land für junge Menschen attraktiv zu machen. Die Landarztpraxis wird in einigen Arztserien immer noch als der Traum in schöner Umgebung dargestellt. Aber das ist es nicht. Die meisten Ärzt*innen wollen sich gerne niederlassen, aber im Team, gerne auch im Angestelltenverhältnis und auch in Teilzeit.

Das alles verschärft den Mangel an Hausarztsitzen noch, denn es werden zukünftig für zwei ausscheidende Ärzt*innen mindestens drei neue gebraucht, um das aktuelle, nicht immer gute, Versorgungsniveau zu halten.

Bei der vielgepriesen und gelobten Landarztquote handelt es sich nur um einen Baustein. Wir benötigen einen ganzen Baukasten, um die ambulante Versorgung zu stärken und qualitativ hochwertig weiter zu entwickeln.

Den Baukasten finden wir im Enquetebericht zur Verbesserung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen. Und die GroKo muss mit diesem Instrumentenkasten in die Fläche gehen und dabei nicht nur auf die medizinischen Berufe schauen, sondern auch auf die Pflege. Wir können die medizinische Versorgung nicht an der Pflege vorbei organisieren, das führt in eine Sackgasse.

Der ambulante medizinische Bereich nach dem SGB V ist zwar ein Bereich, der wesentlich von der Bundesgesetzgebung und Selbstverwaltung bestimmt wird, aber die Enquete hat deutlich gemacht, dass auf Landesebene wichtige Impulse möglich sind.

Vor allem die Substitution, die Delegation von ärztlichen Leistungen an medizinisches Fachpersonal kann vor allem in ländlichen Räumen Versorgungsengpässe abmildern. Der Grüne Antrag zur Gemeindeschwester plus, der Einführung des Berufsbildes einer „Community Health Nurse“ ist ein solcher wichtiger Punkt und auch die berufsbereitende Ausbildung zum Bachelor „Physican Assistance“ (PA) wie sie in Papenburg seit 2021 angeboten wird.

Fakt ist, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Ausbildung in diesen Bereichen müssen schnell angepasst werden, auf Landes- wie auf Bundesebene.

Auch in der Telemedizin kommen wir über Modellprojekte aktuell nicht hinaus. Da ist mehr machbar und notwendig.

Und wir können und müssen von den skandinavischen Ländern lernen und nicht der Meinung sein, wir müssen alles neu erfinden und es dauert wieder Jahre. Damit verlieren wir wertvolle Zeit, Zeit die wir nicht mehr haben, um jetzt und zukünftig eine qualitativ hochwertige ambulante medizinische und auch pflegerische Versorgung sicher zu stellen.

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