Meta Janssen-Kucz: Rede zum Gesetz zur Auflösung der Pflegekammer (TOP 7)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

letzte Woche haben Pflegekräfte aus dem Pflegebündnis Hannover/Lehrte/Hildesheim ihre Forderungen für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege an die Mitglieder des Sozial- und Gesundheitsausschusses übergeben.

Das Bündnis beklagt sich völlig zu Recht darüber, dass die Missstände in der Pflege seit Jahren bekannt sind, sich aber trotzdem nichts ändert. Das gleiche Bündnis hat allerdings auch vehement gegen die Pflegekammer gekämpft.

Dieser Widerspruch zeigt ganz deutlich, warum wir heute über das vorliegende Gesetz zur Auflösung der Pflegekammer beraten müssen: es ist uns – und das sage ich nicht ohne Selbstkritik – von Anfang an nicht gelungen, den Pflegekräften zu vermitteln, welchen Nutzen die Pflegekammer für sie hat.

Pflegekräfte arbeiten seit Jahren am Limit. Und das ist nicht bloß eine Floskel. Die Zahlen zum Berufsausstieg, zu psychischen Erkrankungen, zu Frühverrentung zeigen deutlich, dass die Arbeitsbedingungen mittlerweile vielerorts grenzwertig sind.

Kurzum: Pflegekräfte saufen tagtäglich regelrecht ab. Aber statt ins Wasser zu springen und sie zu retten, erklärt ihnen die Politik, dass gerade eine neue Einrichtung aufgebaut wird, die sich demnächst für die Rettung Ertrinkender einsetzt. In der müssten sie aber erst Mitglied werden und dafür bezahlen.

Anrede,

das Ergebnis ist bekannt: der ganze Frust, die ganze Enttäuschung und die ganze Wut darüber, seit Jahren nicht gehört zu werden, haben sich konzentriert und mit voller Wucht gegen die Pflegekammer gerichtet.

Ich kann das ein Stückweit verstehen. Aber wir alle hier wissen, dass gerade dieses Nicht-gehört-werden auch daran liegt, dass es bisher keine Interessenvertretung gab, die ihren Einfluss für die Pflege auf Augenhöhe mit den anderen Akteuren im Gesundheitswesen deutlich machen konnte. Auch die Gewerkschaften übrigens nicht, die seit Gründung der Pflegekammer das Recht für sich beanspruchen, für die Pflege zu sprechen.

Anrede,

am Scheitern der Pflegekammer ist allerdings auch die rot-schwarze Landesregierung nicht ganz unschuldig: fehlende Anschubfinanzierung, ein miserables Krisenmanagement, kaum Unterstützung durch das Sozialministerium, mangelnder Rückhalt bei den regierungstragenden Fraktionen und eine wirklich stümperhafte Umfrage – die Fehlerliste ist lang.

Bis heute hat sich Ministerpräsident Weil nicht ein einziges Mal ausdrücklich zur Pflegekammer bekannt. Sie haben die Pflegekammer und damit viele für und in der Pflege engagierten Menschen, sehenden Auges ins Aus laufen lassen.

Anrede,

Und auch wenn viele Pflegekräfte das heute anders sehen: es ist ein verdammt großer Nachteil, wenn die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen keine Interessenvertretung hat und damit keine eigene Stimme.

Wozu die Fremdbestimmung der Pflegeberufe geführt hat, kann man tagtäglich in vielen Kliniken und Pflegeeinrichtungen sehen. Und trotzdem hat sich eine große Zahl von Pflegekräften dagegen entschieden, mit am Tisch zu sitzen. Und ich weiß nicht ob ihnen klar ist, dass sie Geld und Einfluss im Gesundheitswesen anderen Akteuren, wie Ärztinnen und Ärzten, Kliniken und Krankenkassen überlassen.

Anrede,

die Auflösung der Pflegekammer ist nicht nur in Niedersachsen langfristig von Nachteil. Es ist auch für die bundesweite Pflegekammerbewegung ein herber Rückschlag. Denn die entscheidenden Rahmenbedingungen werden in Berlin entschieden – und auch da fehlt es an einer starken Interessenvertretung.

Die Pflegepolitik im Bund und in Niedersachsen kann nicht so weitergehen wie bisher, das sollte allen hier klar sein. Mit diesem Gesetz setzen Sie ein Anliegen vieler Pflegekräfte um – an den Arbeitsbedingungen ändert das aber erstmal nichts.

Hören Sie auf das, was die vielen Pflegekräfte Ihnen sagen und setzen Sie es um! Es wäre fatal, wenn das Fehlen einer Interessenvertretung dazu führt, dass Sie, dass wir, eine ganze Berufsgruppe aus dem Blick verlieren.

Der Ball liegt aber auch bei allen, die gegen die Pflegekammer gekämpft haben. Sie haben gesehen, dass ihr Protest etwas bewirken kann. Es ist jetzt an ihnen, ihren Ärger in positive Energie umzusetzen.

FÜR bessere Arbeitsbedingungen, FÜR eine bessere Bezahlung, FÜR mehr Wertschätzung. Das muss jetzt das nächste Etappenziel sein. Und ich hoffe, in unserer aller Interesse, dass es auch ohne Pflegekammer gelingen wird, die pflegerische Versorgung langfristig sicherzustellen.

 

Zurück zum Pressearchiv