Biogasanlage Klostermoor: Was tut die Landesregierung gegen die Scheinprivilegierung von Biogasanlagen?

Nachhaltig genutzte Biogasanlagen dienen neben der Förderung Erneuerbarer Energien auch der Verbesserung der Erwerbsperspektive landwirtschaftlicher Betriebe. Um sie umweltgerecht zu betreiben sind lange Transportwege problematisch.

Nachhaltig genutzte Biogasanlagen dienen neben der Förderung Erneuerbarer Energien auch der Verbesserung der Erwerbsperspektive landwirtschaftlicher Betriebe. Um sie umweltgerecht zu betreiben sind lange Transportwege problematisch. Daher sind kleine, dezentrale Anlagen landwirtschaftlicher Betriebe nach dem Baugesetzbuch privilegiert.

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB sind Biogasanlagen nur dann privilegiert, wenn das Vorhaben in einem "räumlich-funktionalen Zusammenhang" mit einem landwirtschaftlichen Betrieb steht, "die Biomasse überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben" stammt, je Hofstelle nur eine Anlage betrieben wird und die Feuerungswärmeleistung nicht 2 Megawatt oder 2,3 Millionen m³ Biogas pro Jahr überschreitet.

Große nicht-landwirtschaftliche Investoren scheinen nun dieses Bauprivileg vermehrt zu nutzen. So sorgte ein Fall aus Klostermoor im Landkreis Leer für Schlagzeilen, in dem das Unternehmen Deutsche Biogas AG (DTB) ein "Partnerschaftsmodell" mit einem örtlichen Landwirt eingegangen war und dadurch in den Genuss des Privilegs kam. Laut General-Anzeiger vom 05.10.2011 ist die Deutsche Biogas AG inzwischen an mehr als 80 Anlagen beteiligt. Da es zu einem Zerwürfnis zwischen der Deutschen Biogas AG und dem beteiligten Landwirt in Klostermoor kam, wird die Anlage inzwischen nicht mehr partnerschaftlich sondern ausschließlich von DTB geführt (s. LAND & Forst, 10.10.2011 Biogas: Als Strohmann missbraucht?). Die Kreisverwaltung Leer hat daher angekündigt, zu überprüfen, ob der Klostermoorer Anlage, die Betriebserlaubnis entzogen werden kann (Ostfriesen-Zeitung 14.01.2012).

In den "Hinweise(n) des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (MS) und des Niedersächsischen Ministeriums für den ländlichen Raum. Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) zu der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Biomasseanlagen nach §35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB" vom 06.12.2006 wird festgestellt, dass eine Privilegierung nur dann zulässig ist, wenn der dauerhafte bestimmende Einfluss des landwirtschaftlichen Basisbetriebs auf eine Betreibergesellschaft auf Dauer gewährleistet ist: "Dies muss nachvollziehbar, z.B. durch einen im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Zustimmungsvorbehalt des Eigentümers der Basisbetriebs für Beschlüsse der Gesellschaft, dokumentiert und auf Dauer gewährleistet sein."

 

Nach Angaben der Bioenergieberatung Schleswig-Holstein/Hamburg müssen in Schleswig-Holstein auch nach erfolgter Genehmigung alle Privilegierungsvoraussetzungen

weiter erfüllt sein: "Ist dies nicht (mehr) der Fall so kann die Behörde die Genehmigung

widerrufen." Die Genehmigung der Biogasanlage erlösche bei Wegfall der Privilegierungsvoraussetzungen auch ohne Widerruf durch die Genehmigungsbehörde, wenn die

Genehmigung eine entsprechende "auflösende Bedingung" gemäß Erlass des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein vom 11.6.2009 enthielten (vgl: www.bioenergie-portal.info).

 

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Sind der Landesregierung weitere Fälle in Niedersachsen bekannt, in denen zeitnah durch Änderung der Gesellschaftsverträge die Voraussetzungen für ein Privilegierung nach §35 BauGB entfallen sind? Falls ja, wie viele in welchen Landkreisen?

  2. Welche Rechtsfolgen für den Betrieb einer genehmigten Biogasanlage ergeben sich, wenn durch eine Änderung der Geschäftsanteile oder sonstigem Betreiberwechsel kein "räumlich-funktionaler Zusammenhang" zu einem örtlichen landwirtschaftlichen Betrieb mehr besteht bzw. der bestimmende Einfluss des Basisbetriebs nicht mehr gegeben ist?

  3. Teilt die Landesregierung die Ansicht des Landkreises Leer, dass in Folge einer Veränderung der Geschäftsanteile in so genannten "Partnerschaftsmodellen" die Betriebserlaubnis für Biogasanlagen entzogen werden kann?

  4. Welche Möglichkeiten haben die kommunalen Genehmigungsbehörden, eine zeitnahe vollständige oder überwiegende Übernahme von Biogasanlagen, die nach §35 BauGB durch Unternehmen, die nicht die Voraussetzung für eine Privilegierung erfüllen, zu verhindern?

  5. Hat die Landesregierung den kommunalen Genehmigungsbehörden wie in Schleswig-Holstein geraten, im Rahmen der Genehmigung "auflösende Bedingungen" für den Falle des Wegfalls der Voraussetzungen für eine Privilegierung nach §35 BauGB festzuhalten?

  6. Was tut die Landesregierung gegen die Scheinprivilegierung von Biogasanlagen und die Ausnutzung des Privilegs durch nicht-bäuerliche Großinvestoren?

  7. Hält die Landesregierung die gesetzlichen Abgrenzungen bei der Privilegierung von Biogasanlagen zum Schutz landwirtschaftlicher Interessen für ausreichend oder sieht sie Änderungsbedarf, wenn nein, wo?

  8. Wie definiert die Landesregierung rechtlich den Begriff "Biomasse überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben"?

  1. Müssen die eingesetzten nachwachsenden Rohstoffe zu mehr als 50 % aus dem Betrieb oder nahe gelegenen Betrieben kommen?

  2. Muss auch eingesetzte Gülle zu mehr als 50 % aus dem Betrieb oder nahe gelegenen Betrieben kommen? Wie wird überprüft, woher die Gülle kommt?

  3. Bezieht sich die Formulierung "überwiegend" auf den Energiewert der eingesetzten Energierträger oder die Anbaufläche?

  4. In welchem Umkreis der Anlage müssen sich "nahe gelegene Betriebe" befinden, um den Anforderungen des §35 BauGB zu entsprechen?

  1. Welche Voraussetzungen müssen für einem "räumlich-funktionalen Zusammenhang" mit einem landwirtschaftlichen Betrieb gegeben sein?

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